Kindesentführung durch einen Elternteil

Familienrecht

Kindesentführung durch einen Elternteil - Wie ist die Rechtslage?

Im Allgemeinen haben die ehemaligen Ehepartner nach der Trennung und Scheidung ein gemeinsames Sorgerecht und die Kinder leben bei Mutter oder Vater. Keiner der beiden darf die Kinder ohne die Zustimmung des anderen Partners in ein anderes Land verbringen und damit eine Kindesentführung begehen.

Hierfür steht das Haager Kindesentführungsübereinkommen (HKÜ). Es soll die Kinder vor den nachteiligen Folgen eines ungesetzlichen Verbringens in einen anderen Staat schützen. Dieses Abkommen soll die Folgen einer Kindesentführung verhindern und gilt derzeit in 93 Staaten auf der Welt.

Konkreter Fall einer Kindesentführung

Hierzu gab es im Jahre 2005 einen Fall, bei dem sich das Familiengericht Karlsruhe mit dem Thema Kindesentführung auseinanderzusetzen hatte.

Der Vater war deutscher Staatsangehöriger, die Mutter war Weißrussin. Die Tochter hatte beide Staatsangehörigkeiten. Wohnsitze unterhielt die Familie in Berlin und Minsk. Die Mutter wohnte mit ihrem Kind überwiegend in Minsk, wo die Tochter auch den Kindergarten und anschließend die Mittelschule besuchte.

Nach der Trennung der Eltern reiste die Mutter im Urlaub mit ihrer Tochter nach Deutschland. Der dort lebende Vater wollte seine Tochter in Deutschland behalten. Die Mutter nahm ihre Tochter jedoch ähnlich einer Kindesentführung zum Schulbeginn wieder nach Weißrussland mit.
Nach der Scheidung wurde vom Gericht in Weißrussland entschieden, dass die Tochter bei der Mutter wohnen soll. Auch der Vater zog daraufhin in das Land der Tochter.

Das Gericht in Weißrussland entschied ebenfalls, dass ein Einverständnis des anderen Elternteils vorliegen müsse, wenn die Tochter ins Ausland gebracht werden sollte.

Die Mutter zog später mit ihrer Tochter nach Deutschland, wo sie nach wie vor lebt. Der Vater wurde nicht informiert. Insofern lag eine Kindesentführung vor. Der Vater klagte vor dem Familiengericht in Karlsruhe auf Rückführung der Tochter nach Weißrussland und bekam nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommens Recht. Auch das zuständige Oberlandesgericht, welches aufgrund der Beschwerde der Mutter eingeschaltet wurde, gab dem Vater später Recht.

Welchen Einfluss hatte die Meinung der Tochter bei der Kindesentführung?

In dem konkreten Fall wollte die Tochter selbst nicht nach Weißrussland zurückkehren. Für die Entscheidung im Fall der Kindesentführung war dies jedoch nicht erheblich, da das Abkommen für die Berücksichtigung des Kinderwillens eine gewisse geistige Reife voraussetzt. Die Tochter war zu diesem Zeitpunkt 8 Jahre. Ein konkretes Alter sieht das Abkommen nicht vor, spricht in seiner Entscheidung jedoch von einem Alter ab etwa 10 Jahren.

Berücksichtigt werden muss auch, dass das Kind von dem Elternteil, welches die Kindesentführung durchführte, in nicht unerheblichem Maße beeinflusst wird.

Die Meinung des Kindes bei einer Kindesentführung sieht eine gewisse Reife vor

Eine Kindesentführung und damit der Entzug des eigenen Kindes ist eine traumatische Erfahrung für jedes Elternteil. Um die Kinder zu schützen gibt es mit dem Haager Kindesentführungsabkommens (HKÜ) eine Regelung, die die Kinder wieder in ihre gewohnte Umgebung verbringt. Inwieweit die Kinder selbst darauf Einfluss haben, hängt maßgeblich davon ab, zu welcher Einschätzung ein zuständiges Gericht über den Entwicklungsstand des Kindes kommt.

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