Private Scheidung nach Scharia-Recht in Deutschland?

Familienrecht

Private Scheidung nach Scharia-Recht in Deutschland?

Europäische Grundwerte und Rechtsvorschriften bieten Orientierung und Schutz bei Kontakt mit Menschen fremder Kulturen. Das gilt besonders für das Familien- und Eherecht. Ein Beispiel dafür ist das Eherecht des Islam. Nach der Scharia ist eine private Scheidung möglich und wird in vom Islam geprägten Ländern praktiziert. Doch wie geht man damit in Deutschland oder in einem anderen Mitgliedsstaat der EU um. Hier sind Gerichte gefordert, für Bürger klare Regeln und somit Rechtssicherheit zu schaffen.

Der Anlassfall - ein Syrer will sich von seiner syrischen Ehefrau scheiden lassen

Ein Deutsch-Syrer reist in seine ehemalige Heimat und erklärt dort vor einem religiösen Gericht seine Ehe für beendet. In einem ähnlich gelagerten Fall lässt ein Deutsch-Syrer durch einen Stellvertreter seine Ehe in Syrien vor einem religiösen Gericht für beendet erklären. In beiden Fällen nimmt das Gericht die Erklärung entgegen und erklärt die Ehe für beendet. Die Ehefrau wird zur Scheidung nicht befragt. Nach der Scharia ist eine solche private Scheidung rechtens und wird in den Ländern, wo die Scharia gilt, auch praktiziert.

Doch ob die private Scheidung nach den Vorschriften der Scharia auch für Deutschlands Gerichte und Behörden rechtsverbindliche Wirkung hat, musste erst vor Gericht und in weiterer Folge vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) geklärt werden. Denn die Deutsch-Syrische Ehefrau hatte sich gegen die Private Scheidung nach den Regeln der Scharia gewehrt und klagte bei Gericht.

Was nach EU-Recht gilt und was nicht

Eine private Scheidung nach dem Recht der Scharia hat in den Mitgliedsstaaten der EU keine Gültigkeit. Für diese Ansicht entschieden sich die Richter des EuGH mit Sitz in Luxemburg. Demnach werden in den Mitgliedsstaaten der EU und somit auch in Deutschland nur Scheidungen anerkannt, die in den sachlichen Anwendungsbereich der Rom-III-Verordnung fallen. Scheidungen, die nicht in diesen sachlichen Anwendungsbereich fallen, haben daher vor europäischen Behörden und Gerichten keine rechtliche Wirkung. Dazu zählt zum Beispiel die private Scheidung, wie sie das Recht der Scharia vorsieht.

Anerkennung durch ein Münchner Gericht

In einem Fall wurde die private Scheidung nach Scharia Recht von einem Münchner Gericht anerkannt. Der Präsident des Oberlandesgerichts München (OLG) hatte die private Scheidung in Übereinstimmung mit der Anerkennung internationaler Scheidungen nach der Rom-III-Verordnung anerkannt, ohne aber die sachliche Übereinstimmung zu prüfen.

Die Richter des EuGH in Luxemburg grenzten den Anwendungsbereich der Rom-III-Verordnung ein. Demnach soll die EU-Verordnung nur für Scheidungen gelten, die von einem staatlichen Gericht oder einer öffentlichen Behörde ausgesprochen werden. Eine vom Ehegatten vor dem geistlichen Gericht ausgesprochene und von diesem nur noch angenommene Scheidung fällt nicht unter die Rom-III-Verordnung. Die private Scheidung nach dem Recht der Scharia wird daher nicht anerkannt.

Verbot der Diskriminierung

Die private Scheidung nach dem Recht der Scharia diskriminiere im oben erwähnten Anlassfall die Ehefrau. Zum einen wurde sie bei der privaten Scheidung nach Scharia Recht nicht vom geistlichen Gericht angehört. Somit beruht die Scheidung nur auf einer einseitigen Willenserklärung. Die Diskriminierung bestehe nach Ansicht des EuGH darin, dass die Scharia die private Scheidung durch einseitige Willenserklärung nur für den Mann vorsieht. Eine Frau kann eine Scheidung nach der Scharia nur unter wesentlich schwereren Umständen erlangen.

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